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Gedanke der Woche, Paraschat Bo :
Das Nichts als Kraft
von Yanki Tauber
Und G-tt sprach zu Mosche: "Erhebe
die Hände zum Himmel, damit Dunkelheit über das
Land Agypten komme, greifbare Dunkelheit."
Dunkelheit ist nur die Abwesenheit von Licht. Aber sie
kann so dicht sein, dass man sie greifen kann. In Ägypten
wurde sie „dick wie eine Münze“, so
dass „drei Tage lang niemand seinen Platz verlassen
konnte“. „Es gibt drei Arten von Dunkelheit“,
schreibt Rabbeinu Bachajei in seinem Kommentar zur Torah:
„Erstens die verhüllende Dunkelheit (alata)
des Bundes, der Awraham das Exil Israels ankündigte
(siehe Genesis 15:17); dann die greifbare Dunkelheit
(afeila) der neunten Plage in Ägypten; und schließlich
die schimmernde Dunkelheit (arafel) bei der Übergabe
der Torah, in der geschrieben steht: ,Und Mosche ging
hin zur Dunkelheit, in der G–tt war?’“
(Exodus 20:18).
Dunkelheit ist nichts. Aber sie ist eine Kraft. Sie
ist die Kraft des Nichts, die stärkste Kraft in
der Natur. Die Existenz, so wie G–tt sie geschaffen
hat, empfindet einen unersättlichen Durst nach
Sein, nach Gegenwart, nach Leben. Ein Vakuum füllt
sich sofort auf, und zwar mit einer solchen Gewalt,
dass keine „aktive“ Kraft ihr ebenbürtig
ist. Im Jahr 1977 erlitt der Lubawitscher Rebbe während
einer fröhlichen Schemini-Azeret-Feier einen Herzanfall.
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten tanzten seine Chassidim
an Simchat Torah ohne ihren Rebbe mit den Schriftrollen.
Die auffallende Abwesenheit des Rebbe machte uns das
Herz schwer. Wir tanzten und weinten, weinten und tanzten.
Der Rebbe, der in seinem Arbeitszimmer behandelt wurde,
sah zu, wie einer der Ärzte ihm mit einer Spritze
Blut entnahm, und schickte seinen Schülern folgende
Botschaft: „Diese Spritze erzeugt ein Vakuum,
das den leeren Raum zwingt, sich mit Blut zu füllen.
Auch eine Abwesenheit ist eine Kraft, die noch mehr
Energie und Leben in einen leeren Raum zieht.“
Dunkelheit ist nichts, und dieses Nichts ist uns fremd
und lähmt uns; aber letztlich ist es ein Ort des
unbegrenzten Potenzials und die Kraft, die dieses Potenzial
verwirklicht.
Der Standpunkt des Rebbe
Keine Grenzen
Wir gewöhnen uns nie an Ägypten. Wir fühlten
uns dort nie heimisch. Wir
haben nie gesagt: „Sie sind die Herren, und wir
sind die Knechte, und so
soll es bleiben.“ Als Mosche kam und erklärte,
dass wir gehen würden,
glaubten wir ihm. Jeder von uns hat sein Ägypten.
Du musst herausfinden, wer du bist und wo deine Grenzen
liegen. Doch der Himmel möge verhüten, dass
dumit ihnen Frieden schließt. Die Seele in dir kennt
keine Grenzen.
Leitgedanken
„Es soll ein Zeichen auf deiner Hand sein“
(13:16).
Frage: Was bedeuten die sieben Windungen
um den Unterarm, wenn ein Mann seine Tefillin anlegt?
Antwort: Tefillin bestehen aus zwei
Teilen. Der eine liegt auf dem linken Arm und ist
dem Herzen zugewandt, der andere liegt am Kopf, dem
Sitz des Verstandes. Daraus lernen wir, dass der Kopf
das Herz regieren soll. Das Herz ist der Sitz der
Gefühle, und das sind Attribute (midot), die
man meist in sieben Gruppen einteilt. Güte (chesed),
Macht/Strenge (gewura) und Schönheit (tiferet)
sind die wichtigsten. Die nächsten vier sind
sekundäre Eigenschaften, die von den ersten drei
abgeleitet sind: Ausdauer (nezach), Pracht (hod),
Fundament (jesod) und Oberherrschaft (malchut). Die
sieben Windungen um den Unterarm symbolisieren also
diese sieben Gefühle, die der Verstand im Griff
haben sollte.
Die Frage ist so alt wie die Theologie: Warum erlässt
G–tt, dem es an nichts fehlt, „Gebote“
für uns Menschen? Elihu der Busit (der sich an
dem Gesprächzwischen Job und seinen drei Freunden
am Ende des Buches Job beteiligt, drückt es sehr
schön aus: „Verletzt du G–tt, wenn
du sündigst? Tust du ihm etwas an, wenn du noch
mehr sündigst? Und wenn du fromm bist, was gibt
du ihm? Was könnte er aus deiner Hand empfangen?
“Chassidim würden mit diesem Gleichnis
antworten: Ein russischer Bauer sagte einmal zu seinem
Freund: „Weißt du, Iwan, ich finde wir
sind dumm, wenn wir Steuern an den Zaren entrichten.“
"Warum, Igor?", fragte Iwan.
„Weißt du, woher unsere Rubel kommen?
Nun, ich werde es dir sagen: Der Zar lässt sie
in seinem Palast prägen.“
„Na und?“, fragte Iwan.
„Na und? Warum behält der Zar nicht alle
Rubel, die er braucht, und läss tuns jene, die
wir brauchen?“
„Igor, du bist dumm!“, erwiderte Iwan.
„Darum geht es doch – der Zar will seine
Rubel nicht. Er will unsere Rubel haben!“
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